Wenn Azubis zum Küchenchef werden Im Hotel Traube Tonbach haben die Kochazubis in den vergangenen Wochen das Küchenkommando übernommen. Foto: Traube Tonbach

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Lösungen: Corona hat die Küchenordnung in der Gastronomie auf den Kopf gestellt. Mancherorts wurden Auszubildende als Schneider, Gärtner oder kurzerhand sogar als Küchenchef eingesetzt. In der News-Serie „Gemeinsam durch die Corona-Krise“ berichten wir über kleine Lichtblicke in unserer Branche.

Von Anna Häuser

Ein 80-köpfiges Küchenteam, darunter 35 Kochazubis, aber der Betrieb muss geschlossen bleiben: Was tun mit den Auszubildenden, die rechtlich betrachtet erst einmal von Kurzarbeit verschont bleiben? Vor dieser Frage stand – genauso wie viele andere Ausbildungsbetriebe in Deutschland – auch das Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn. Während die meisten ausgelernten Köchinnen und Köche notgedrungen in Kurzarbeit geschickt wurden, galt es, die Kochazubis zu beschäftigen – und natürlich dem Lernauftrag nachzukommen. „Damit unsere Auszubildenden weiterarbeiten konnten, haben wir sie kurzerhand überall da eingesetzt, wo Hilfe gebraucht wurde“, erzählt Junior-Chef Sebastian Finkbeiner. „Wir haben momentan drei große Baustellen im Haus, da fällt einiges an Arbeit an. Die Kochazubis haben in den vergangenen Wochen hauptsächlich die Haustechnik unterstützt, Wände gestrichen, Teppiche shampooniert oder gegärtnert.“ Auch die Restaurantfach-Azubis wurden an anderer Stelle eingesetzt. „Sie haben unserer Schneiderin unter die Arme gegriffen. Gemeinsam konnten sie so 2000 Behelfsmasken nähen, die das gesamte Team bei Wiedereröffnung gut gebrauchen kann“, berichtet Finkbeiner.

Kommando in der Küche

Vom Einkauf bis zum Anrichten - alles in der Hand der Kochazubis. Foto: Traube Tonbach
Vom Einkauf bis zum Anrichten – alles in der Hand der Kochazubis. Foto: Traube Tonbach

Die Herdplatten blieben trotz Betriebsschließung nicht kalt. Baustellen bedeuten Handwerker – und die galt es neben dem Personal kulinarisch zu versorgen. „Hierbei hatten unsere Kochazubis das Kommando“, so Sebastian Finkbeiner. Je ein Zweierteam wurde dabei für eine Woche eingesetzt. „Speiseplan, Kalkulation, Einkauf – all das durften die Auszubildenden selbst entwickeln. Ein Küchendirektor stand, falls nötig, zur Seite“, sagt der Junior-Chef. Learning by doing sozusagen. Und die Gerichte der angehenden Köche kamen an. „Ich habe schon das Feedback bekommen, dass sich die Küche nach Wiedereröffnung sehr anstrengen muss. Unsere Azubis haben ein hohes Niveau beim Personalessen vorgelegt“, sagt Finkbeiner und lacht.

Azubi-Takeover im Harz

Mit „Food Charme“ haben in Wernigerode Nachwuchsköche sogar ein eigenes kleines Unternehmen aufgebaut. Die Idee kam von Ronny Kallmeyer, Küchenchef im Gothischen Haus, das den Travel Charme Hotels angehört. „Mit ‚Food Charme‘ haben unsere beiden Koch-Auszubildenden sowie die drei Azubis im Service ihr eigenes Take-away-Unternehmen aufgebaut“, so das VKD-Mitglied. „Sowohl Name, Unternehmenskonzept, Pressemitteilung, Flyer als auch der Speiseplan und die konkrete Umsetzung haben sie dabei eigenständig entwickelt.“ Auf der Karte stehen im wöchentlichen Wechsel drei verschiedene Hauptgerichte sowie ein vier-Gänge-Candle-Light-Dinner to go. Die Resonanz ist groß – so groß, dass zumindest das Take-away-Dinner auch nach Wiedereröffnung erhalten bleiben soll – unter Azubi-Führung, versteht sich.

Die Köpfe hinter "Food Charme". Foto: Food Charme - das Azubi-Takeover.
Die kreativen Köpfe hinter „Food Charme“. Foto: Food Charme – das Azubi-Takeover.

Berufsschule mal anders

Kreative Ideen und Engagement für die Kochausbildung, das weiß Ronny Kallmeyer, sind gerade jetzt besonders nötig. „Unsere Azubis sind von der Schließung der Betriebe in besonderem Maß betroffen“, so der Küchenchef. „Sowohl die praktischen Erfahrungen im Betrieb als auch der Berufsschulunterricht blieben für viele Wochen komplett auf der Strecke.“ Das Problem hat auch die Traube Tonbach gesehen. „Wir möchten unseren Auszubildenden so viel Wissen wie möglich vermitteln“, sagt Wilfried Denk, F&B Direktor im Baiersbronner Hotel. „Deshalb haben wir versucht, den Ausfall der Berufsschule etwas zu kompensieren.“ Kurzerhand wurde das „Traube-Schooling“ ins Leben gerufen. Es gab Schulungen, kleinere Gruppen-Koch-Sessions vor Ort sowie zahlreiche theoretische Aufgaben oder Menüs, die zu Hause nachgekocht werden sollten. „So konnten wir trotz Betriebs- und Schulschließung unsere Azubis bestmöglich auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten“, sagt Denk. Ein Angebot, das von den angehenden Köchinnen und Köchen mit Begeisterung angenommen wurde.


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GEMEINSAM DURCH DIE CORONA-KRISE

Die Corona-Krise hat gravierende Auswirkungen auf die Gastronomie. In unserer neuen News-Serie „Gemeinsam durch die Corona-Krise“ berichten wir über Geschichten von Zusammenhalt, Solidarität und gegenseitiger Unterstützung und sorgen so für kleine Lichtblicke im aktuell eher dunklen Berufsalltag.


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