Die tägliche Ernährung stellt Venezolaner vor eine Herausforderung. In Zeiten der Hyperinflation sind viele Produkte nicht erhältlich. Das spürte auch unsere Autorin und VKD-Mitglied Magdalena Koch im wahrsten Wortsinn am eigenen Leib.
Von Magdalena Koch
Die venezolanische Küche in Zeiten der Hyperinflation kennenzulernen, war mehr als schwierig. Seit den politischen Protesten im Mai 2016 hat sich die Situation verschärft, und das Reisen stellte für mich eine große Herausforderung dar. Die tägliche Ernährung der Familie stellt viele Venezolaner vor ein großes Problem, denn die meisten Supermärkte bleiben leer bzw. führen Produkte, die den täglichen Kalorienbedarf bei Weitem nicht decken können. Auch die von der Regierung verteilten Lebensmittelpakete reichen nicht aus, wenn sie denn überhaupt kommen.
So ist zum Beispiel Mehl nur noch zu horrenden Preisen über den Schwarzmarkt (Bachaquero) erhältlich. Dabei ist es quasi Grundnahrungsmittel: Mit dem Maismehl der venezolanischen Firma Harina P.A.N stellt man Arepas her, ein Gericht, das zu jeder Tageszeit gegessen wird. Der Unterschied zu den kolumbianischen Arepas ist, dass sie in Venezuela gefüllt und auch danach benannt werden, z. B. Reina Pepiada (Hähnchensalat), Domino (schwarze Bohnen und Käse) oder Pabellón (Shredded Beef, Kochbananen, schwarze Bohnen).
„Maduro-Diät“ kostete mich in zehn Wochen zwei Kilo
Die meisten typischen Gerichte hat man nur noch in abgewandelten Versionen probieren können, da viele Lebensmittel nicht mehr erhältlich sind. Die ironischerweise als „Maduro-Diät“ (Maduro ist der Staatspräsident Venezuelas) bezeichnete Lebensmittelknappheit kostete sogar mich in nur zehn Wochen zwei Kilo. Man stelle sich also vor, wie die Menschen im Land unter der miserablen Politik leiden.
Auch zu den Feiertagen gab es traditionelle Gerichte nur in abgewandelten Versionen. An Weihnachten und Neujahr kocht man traditionell Hallacas. Das ist ebenfalls eine Maismasse, die gefüllt in ein Bananenblatt eingewickelt wird. Die Herstellung wird mit der gesamten Familie zelebriert, und zwischendurch gibt es immer mal Ponche de Crema, eine Art Eierlikör mit Zimt. Ebenfalls probiert haben muss man die Cachapa, einen großen gefüllten Maispfannkuchen, und das Nationalgericht Pabellón criollo.
Lassen Sie mich noch ein wenig über meine Reise durchs Amazonas-Gebiet berichten: Sie begann im Dreiländereck Leticia (Kolumbien), Santa Rosa (Peru) und Tabatinga (Brasilien) und führte mich schiffsreisend nach Manaos. 1.600 Kilometer legte ich auf dem Río Amazonas zurück und half einen Tag in der Schiffsküche mit. Transportiert haben wir neben in Hängematten schlafenden Menschen einige Tonnen Pirarucu (dt. Arapaima). Das ist der größte Süßwasserfisch der Welt. Gegrillt schmeckt er vorzüglich. Neben verschiedenen Fischarten wie Piranha kann man auch Caiman oder diverse Larven/Insekten wie zum Beispiel Mojojoy, lebend, gegrillt oder frittiert probieren. Es gibt auch Früchte (Acai-Beere/Kohlpalme, Chontaduro/Pfirsichpalme, Guaraná) oder Gemüse (Okra/Gemüse-Eibisch, Maxixe/Antillengurke), die einem in Deutschland nicht tagtäglich begegnen.
Das Grundnahrungsmittel im Dschungel ist die Maniokwurzel (verschiedene Sorten). Sie stammt ursprünglich aus Südamerika und wird schon seit Jahrhunderten als Lebensmittel verwendet. Im rohen Zustand ist die Wurzelknolle giftig. Durch das Erhitzen, Fermentieren oder Auswaschen verflüchtigt sich die Blausäure. Man gewinnt Maniokmehl sowie -stärke aus der Wurzel, die beide Hauptbestandteil zahlreicher typischer Gerichte sind. Maniok enthält kein Gluten und ist ein optimales Ersatzprodukt für Allergiker.
In Brasilien frühstückt man Tapioca (Maniokstärke) als Fladen gefüllt und isst zu fast jeder Speise das berühmte Farofa, geröstetes Maniokmehl. Im venezolanischen Puerto Ayacucho hatte ich das Glück, beim indigenen Volk der Piaroa die Casabe-Herstellung miterleben zu dürfen. Casabe ist ein Art Fladenbrot aus Maniokmehl, das über Feuer oder dem Budare, eine Art Grill, hergestellt wird. Um das Mehl herzustellen, verwendet das Volk ein aus Palmfasern geflochtenes Behältnis namens Sebucán (brasilianisch Tipiti). Dort wird die zerstampfte eingeweichte rohe Maniokwurzelmasse eingefüllt und gepresst, damit die Giftstoffe austreten. Die Maniokmasse wird fertig getrocknet und dann zu Mehl weiterverarbeitet.
Next Stop: Mexico
Über das Amazonasgebiet
Das Amazonasbecken umfasst sieben Millionen Quadratkilometer (ca. fünf Prozent der Erde) und erstreckt sich über neun Länder in Südamerika. Rund ein Fünftel des gesamten Süßwassers fließt in diesem riesigen Flusssystem, das ca. 3.000 Fischarten beherbergt und die Lebensader von über 20 Millionen Menschen ist, die sich vorrangig mit regionalen Lebensmitteln ernähren, da viele Gegenden von der Zivilisation abgeschnitten sind. Das feucht-tropisch heiße Klima mit den vielen Niederschlägen führt zu einem schnellen Wachstum von Pflanzen und ermöglicht mehrmalige Ernten im Jahr.
Über Magdalena Koch
Magdalena Koch, Jahrgang 1988, ist ausgebildete Köchin und Absolventin des Master-Studiengangs Lehramt für berufliche Schulen an der TU München. Zu ihren beruflichen Stationen gehören unter anderem die Residenz Heinz Winkler, zwei Michelin-Restaurants in Spanien und das Restaurant Philipp in Sommerhausen. Seit April 2016 verbringt das VKD-Mitglied mit „Work & Travel“ kochend und reisend Zeit in Südamerika. Darüber berichtet sie auf ihrem Blog.