Die Justus-von-Liebig-Schule in Mannheim im Porträt: In der Berufsfachschule werden junge Menschen für die Gastrobranche begeistert und in der Berufsschule können moderne Zusatzqualifikationen erworben werden.
von Aina Keller
Als die Corona-Pandemie ausbrach, suchte André Brehm nach Lösungen. Der Mannheimer Fachlehrer sendete kurzerhand auf seinem YouTube-Kanal die erste Folge von „Schule in Zeiten von Corona“. „Corona wird uns nicht dazu zwingen, den Unterricht ausfallen zu lassen“, betonte er in seinem ersten Online-Statement am 19. März. „Was uns heute hilft, ist die Technik und die werden wir jetzt auch nutzen.“ Brehm setzte auf lebhaften, lustigen und kurzweiligen Schulunterricht aus der eigenen Küche. Es gab Rezepte, gemeinsame Koch-Sessions – und die Herausforderung, stets eine stabile Internetverbindung zu bieten. Mit der Schulöffnung in Mannheim änderte der engagierte Lehrer Anfang Mai das Format und zeigt nun bis auf Weiteres immer montags ab 6 Uhr in seiner wöchentlichen Sendung, wie die Schule „mit“ Corona aussieht.
Engagement für lernschwache Schüler
Ideen und Initiativen wie diese sind nichts Ungewöhnliches in der Justus-von-Liebig-Schule, die unter anderem eine einjährige Berufsfachschule unter ihrem Dach betreibt: „Wir machen quasi junge Menschen ,heiß‘ auf diesen Beruf und wecken bei dem einen oder anderen orientierungslosen Schulabgänger das Interesse an der Gastronomiebranche“, sagt die Abteilungsleiterin Ernährung, Studiendirektorin Susanne Schneider. „Im Rahmen dieses richtungsweisenden Unterrichts können die Schüler in einer Übungsfirma eigene kleine Caterings übernehmen, Praktika in der Region absolvieren und spannende renommierte Köche treffen.“ Aktuell sind so 60 Schülerinnen und Schüler in zwei Klassen untergebracht, zum Teil lernschwache Schüler, Flüchtlinge oder junge Menschen mit Migrationshintergrund. Das erklärte Ziel heißt dreijährige Grundausbildung und Berufsschule: „Das Gastgewerbe ist eine tolle berufliche Grundlage“, so Schneider. „In diesem ersten Jahr erhalten die Schülerinnen und Schüler sehr umfassende Einblicke und lernen Menschen aus der Branche näher kennen.“
Förderung für Alle
Neben den Schülern der Berufsfachschule drücken in Mannheim natürlich auch Koch- und Service-Auszubildende die Schulbank. Im Unterschied zu anderen Bundesländern gibt es in Baden-Württemberg allerdings eine wichtige Besonderheit: Im ersten Ausbildungsjahr findet der Berufsschulunterricht an einer hauswirtschaftlichen Schule in der Region statt, also in der Umgebung des Ausbildungsbetriebes. Im zweiten und dritten Ausbildungsjahr geschieht dies an einer der vier spezialisierten Landesberufsschulen für das Hotel- und Gaststättengewerbe, wahlweise in Calw (Nordschwarzwald), Bad Überkingen (Kreis Göppingen), Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) und Tettnang (Bodenseekreis).
„Dieser Schritt ist für die jungen Menschen oft eine große Umstellung. Die Stärkeren schaffen das, aber wir würden sehr gern in den weiteren Ausbildungsjahren diejenigen hier beschulen, die eine extra Portion Unterstützung brauchen“, sagt Susanne Schneider. „Der Schulwechsel bereitet ihnen oftmals Probleme. Der neue Wohnort und die Umstellung schaffen Unruhe, das führt zu schlechten Noten und erhöht leider in letzter Konsequenz die Abbruchquote.“
Bauwagenprojekt und fleischlose Kost
Aufmerksames Engagement für andere: In dieser Hinsicht macht die Justus-von-Liebig-Schule öfter von sich reden. Als einzige Berufsschule in Baden-Württemberg fördert die Schule beispielsweise aktiv junge Flüchtlinge und wird von dem internationalen Flüchtlingshilfswerk International Rescue Committee (IRC) durch das Konzept „Healing Classrooms“ unterstützt. Seit vielen Jahren ist die Schule im Bereich Inklusion aktiv und besucht unter anderem mit förderungsbedürftigen Schülern regelmäßig eine Hotelfachschule in Italien. Außerdem: Der ideenreiche Lehrer Brehm hat jüngst das Projekt Bauwagen aus der Taufe gehoben, den er im Unterricht mit der Klasse umgebaut und unter realen Bedingungen zu einem Food Truck umfunktioniert hat.
Aber das ist längst noch nicht alles, wenn es um Vorzeigeprojekte geht: „In diesem Jahr setzen wir erstmals die Zusatzqualifikation ,Vegetarische und vegane Küche‘ parallel zur Grundausbildung um“, berichtet Susanne Schneider. „Dafür erhalten die Schüler neben ihrer regulären Berufsschulzeit 180 Stunden Unterricht und legen die Prüfung unmittelbar nach dem erfolgreichen Berufsabschluss Koch/Köchin ab.“ Das ist neu, zeitgemäß und passt zu der Philosophie dieser Schule, die sich bewusst abhebt von anderen und mit zukunftsweisenden Lösungen sowie viel Engagement den Kochberuf voranbringt.
„In der Berufsfachschule wecken wir bei dem einen oder anderen orientierungslosen Schulabgänger das Interesse an der Gastronomiebranche.“
Susanne Schneider, Studiendirektorin, Abteilungsleiterin Ernährung
„Was uns heute hilft, ist die Technik und die werden wir auch nutzen.“
André Brehm, Fachlehrer
Auf einen Blick
Justus-von-Liebig-Schule in Mannheim
- Berufsschule und Sonderberufsschule zur dualen Ausbildung
- Berufsvorbereitende Bildungsgänge
- einjährige Berufsfachschulen zur beruflichen Grundbildung
- zweijährige Berufsfachschulen
- Meisterschule (Bäcker, Friseure)
- www.jvls-ma.de