Bolivien ist ein Land mit vielen Einflüssen. Das spiegelt sich auch in der Küche wider. Magdalena Koch berichtet von ihrem nächsten Stopp, bei dem sie gemeinsam mit bolivianischen Hausfrauen in der Küche stand.
Von Magdalena Koch
Bolivien ist ein Land der Gegensätze.
Bevölkerung: Viele arme Kleinbauern und wenige reiche Industrielle.
Geographie: Großstädte auf über 4.000 Meter Höhe und Dörfer im Tiefland unter 500 Meter.
Klima: Vom kalten Altiplano bis in den feuchtheißen Dschungel.
All diese Einflüsse führen zu einem facettenreichen, bunten Land mit einer leckeren indigen geprägten Küche. Die Zutaten dafür stammen aus dem Hochland wie z.B. die natürlich gefriergetrockneten Kartoffeln Chuños (weiß) und Tuntas (braun), weitere Knollenpflanzen (z.B. Olluco, Oka) und Lamafleisch. In den Zentralgebirgen werden Mais, Quinoa und Kokablätter (Heil- und Genussmittel) angebaut. Das Tiefland dagegen produziert hauptsächlich Erdnüsse, (Koch-) Bananen, Maniok, Paranüsse und Kakao.
Egal wo man sein Menú del Día, das Tagesmenü, bestellt, bekommt man zuerst eine nahrhafte Suppe vorgesetzt. Hat man Glück, dann hat die Marktfrau eine Sopa de Maní gekocht, die landesweit bekannte Erdnusssuppe mit Kartoffel- oder Reiseinlage. In der Bergbaustadt Potosí sollte man die Kalapurka, eine Suppe aus Trockenfleisch, Chili und Maismehl bestellen. Serviert wird sie mit einem heißen Stein, der die Flüssigkeit am Tisch noch weiterkochen lässt. Die Hauptgerichte variieren je nach Region.
Ich habe mein Praktikum in Santa Cruz de la Sierra absolviert und daher einen größeren Einblick in die Tieflandküche bekommen. Im Restaurant El Aljibe durfte ich zwei Wochen lang mitkochen und dem Team meine endlosen Fragen stellen. Das Restaurant war rustikal eingerichtet und glich einem kleinen Museum mit einer Zisterne im offenen Innenhof. Die Küche war eine zusammengewürfelte Konstellation und hatte einen Gasherd sowie fünf offene Gasflammen, auf denen alles vorbereitet und gekocht wurde. Sie war zwar überdacht, aber an den Seiten oben offen, sodass hauptsächlich die Hitze und selten ein angenehmes Lüftchen zu uns durchdrangen.
Außer dem Küchenchef hatte keiner der Mitarbeiter eine gastronomische Ausbildung absolviert, und ich habe daher mit waschechten bolivianischen Hausfrauen zusammengekocht. Eine sehr interessante Erfahrung. Thermomix, Konvektomat, Salamander, Schockfroster – von all dem hatten die Kollegen dort noch nie gehört. Zwei Mikrowellen gab es in der Küche. Manch ein Koch kann sich schlecht vorstellen, mit so wenig Ausstattung zu kochen. Doch das klappte hervorragend, und das Restaurant war immer gut besucht, sogar von sehr vielen Touristen, die das traditionelle Essen lobten.
Die beiden Inhaber haben vor Jahren angefangen, alte bolivianische Rezepte von ihren Omas auszugraben und wieder zu beleben. Majao de Charque ist das meistbestellte Gericht der Karte. Es besteht aus Reis, Trockenfleisch, frittierten Bananen und einem Spiegelei. Die orangene Färbung des Reises entsteht durch die Verwendung der Samen des Annattostrauchs (Achiote/Uruku). Er enthält einen natürlichen Farbstoff und wird in vielen Ländern auch als Gewürz genutzt. Wer etwas Kurioses im El Aljibe probieren möchte, der muss auf der Karte Ausschau nach Lagarto (Echse) halten. Das weiße fischähnliche Fleisch wird paniert, frittiert und mit einem leicht scharfen Dip serviert.
Salchipapas, Pollo Broaster, Chicharron de Cerdo – Frittiert wird in Bolivien viel. Möchte man sich etwas weniger fettreich verköstigen, empfehle ich etwas Maishaltiges wie Humitas oder Tamales. Die Basis beider Gerichte ist eine Maismasse, die teilweise gefüllt in einem Maisblatt eingewickelt und gedämpft wird. In Santa Cruz sollte man auf jeden Fall noch Cuñapes probieren – eine Art Käse-Bällchen aus Maniokstärke ähnlich dem Chipa aus Paraguay.
Bolivien stellt zahlreiche interessante Getränke her. Chicha, ein Maisbier, warmer Api, ein Maisgetränk aus schwarzem und weißem Mais, oder Mocochinchi, ein Erfrischungsgetränk aus getrocknetem Pfirsich. Doch ein kurioses und in Deutschland illegales Getränk reizt die Touristen am meisten: der Kokablätter-Tee. In den Andenstaaten ein ganz normales Produkt, das überall erhältlich ist und vielen Touristen in den extremen Höhenlagen von ihren Krankheitssymptomen befreit. Egal ob man Kokablätter trinkt oder kaut, sie haben nicht im Geringsten die Wirkung von Kokain und schmecken wie ein leckerer Kräutertee.
Next Stop: Peru
Über Magdalena Koch
Magdalena Koch, Jahrgang 1988, ist ausgebildete Köchin und Absolventin des Master-Studiengangs Lehramt für berufliche Schulen an der TU München. Zu ihren beruflichen Stationen gehören unter anderem die Residenz Heinz Winkler, zwei Michelin-Restaurants in Spanien und das Restaurant Philipp in Sommerhausen. Seit April 2016 verbringt das VKD-Mitglied mit „Work & Travel“ kochend und reisend Zeit in Südamerika. Darüber berichtet sie auf ihrem Blog.