Drei Jahre auf derselben Schulbank, mit gleichen Sitznachbarn und identischem Heimweg – das muss nicht sein. Azubis können bereits in ihrer Berufsschulzeit auf Reisen gehen.
Von Aina Keller
Egal, ob Blockunterricht oder Wochenstunde, ob Großstadt oder in eher ländlichem Umfeld: Im Leben eines Berufsschülers kann es auch Abwechslung geben und es muss nicht immer das identische Klassenzimmer sein. Dabei hängt es von der Region selbst und zum Teil auch vom Engagement der jeweiligen Berufsschule ab, wie die jeweiligen Ausflüge aussehen. Nachfolgend einige Beispiele von Initiativen und Geschichten rund um reisende Berufsschüler.
Shalom Tel Aviv
Es war eine ganz besondere Exkursion, die knapp 20 Auszubildende aus Hamburg in diesem Februar unternommen haben. Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrer der Staatlichen Gewerbeschule Gastronomie und Ernährung (BS 03, ehemals G11) in Hamburg machten sich auf den Weg in den Nahen Osten, um die israelische Küche und die Besonderheiten des Landes kennen zu lernen.
Dahinter steht ein Deutsch-Israelische Programm zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung (Israel-Programm), es ist ein bilaterales Kooperations- und Förderprogramm zwischen dem israelischen Ministerium für Arbeit und Soziales und dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Von dieser Initiative konnte nun auch der norddeutsche Nachwuchs profitieren. Die dreiwöchige Reise war bereits die zweite dieser Art für Vertreter der kulinarischen Berufe. Vor Ort trafen sich die angehenden Köchinnen, Köche, Bäcker und Konditoren mit jüdischen Studenten und arbeiteten auch gemeinsam in der Küche.
Es gab sieben Tages-Workshops in verschiedenen Gastronomieschulen. Vom Shabbatbrot über die Falafelkultur bis hin zu milchlosen Desserts und der galiläischen Spezialitäten wurden alle Facetten der koscheren Küche und der Spezialitäten der Region besprochen und gekocht. Weiterhin auf dem Programm: die Besichtigung gastronomischer Betriebe, ein Exkurs in einem agrarwirtschaftlichen Betrieb und ein Kurs im Barmixen in der weltweit größten Barschule in Tel Aviv. Außerdem standen zehn Tage Praktika in den besten Hotels in Eilat auf dem Programm, bei denen die Gäste aus Deutschland großartige Veranstaltungen hinter den landestypischen Buffets erlebten.
Zur Abschlussveranstaltung wurde gemeinsam ein Buffet in die Tat umgesetzt, das deutsche und israelische Elemente vereinte. Es gab unter anderem Fisch-Kebab, original Pita-Brot und Kartoffelsalat – ohne Speck wohlgemerkt. Zur Zeremonie mit der feierlichen Übergabe von Zertifikaten für die Teilnehmer kamen neben dem deutschen Botschafter auch der Direktor des israelischen Wirtschaftsministeriums, fünf ehemalige Präsidenten des israelischen Köcheverbands und Chefs aus ganz Israel. „Es war ein wunderbares Erlebnis und eine tolle Erfahrung“, waren sich die Teilnehmer einig. „Wir haben sehr viel über koschere Küche gelernt und worauf es bei israelischen Gerichten ankommt, ob die Zubereitung für milchfreie, vegane Desserts oder das Kochen mit frischen, regionalen Zutaten.“ Dazu gehörte natürlich auch, dass ein Rabbi in der Hotelküche penibel das Einhalten aller Regeln für das koschere Kochen kontrollierte.
„Besonders beeindruckend war die Gastfreundschaft der israelischen Kollegen und die Erfahrung, sich jederzeit in Israel sicher gefühlt zu haben. Egal ob in Nazareth, Eilat, Jerusalem oder Tel Aviv waren wir beeindruckt vom Umgang der Menschen mit den unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Völkern in Israel.“ Das Rahmenprogramm war abwechslungsreich, ob der Trip durch die Wüste mit Jeep, Kamel und Esel, das Baden im einzigartigen Toten Meer oder der Besuch der heiligen Stätten in Massada, Jerusalem und Nazareth. Erwähnenswert nachhaltig beeindruckte der Besuch der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem. Die ergreifende Führung gab den jungen Kollegen eines mit auf den Weg: „Seid wachsam und wehret den Anfängen von Hass und Gewalt gegenüber anderen Kulturen.“ Der Besuch in Israel war für die Berufsschüler aus Hamburg eine außergewöhnliche Reise, von der sie weit über das Schulische hinaus profitiert haben.
Kennen Sie Erasmus+?
Förderprogramm mit Stipendium
Ein Auslandsaufenthalt während der Kochausbildung ist für viele Azubis interessant und wertvoll für ihren späteren Werdegang. Bundesweit gibt es zahlreiche Betriebe und Berufsschulen, die Auslandspraktika für ihre jeweils eigenen Auszubildende und Schüler organisieren. Häufig nutzen sie dabei ein Förderprogramm der Europäischen Union, das in dieser neuer Konstellation 2014 aus der Taufe gehoben wurde und Erasmus+ heißt. Der Name steht für EuRopean Community Action Scheme for the Mobility of University Students und ist vielen aus dem Bereich der Hochschulen bereits bekannt. Im Foku steht die sogenannte „europäische Mobilität“. Seit einigen Jahren umfasst Erasmus+ als Dachprogramm alle EU-Förderungen im Bereich Berufs- und Erwachsenenbildung. Insgesamt stehen bis zum 2020 europaweit 14,7 Milliarden Euro zur Verfügung, um insgesamt 4 Millionen Europäerinnen und Europäer zu fördern.
In unserer Branche gibt es mittlerweile einige aktive Berufsschulen, die ein eigenes Erasmus+/Europa-Team ins Leben gerufen haben und die Aufenthalte der Schüler im europäischen Ausland organisieren. Extra benannte Auslandsbeauftragte kümmern sich um den Betrieb im Ausland, die Unterkunft und die Freistellung an der heimischen Schule. Dabei ist auch die Bereitschaft des auszubildenden Betriebs gefordert, den Azubi entweder freizustellen oder entsprechend Urlaub zu gewähren. Der Großteil der Ausgaben wird übernommen, üblicherweise wird ein kleiner Eigenbetrag gefordert.
Praktikum als Pool-Projekt
Berufsschüler, die gerade keinen passenden Arbeitgeber und Schulpartner für sich finden, können sich als Berufsschüler für so genannte Pool-Projekte bewerben. Im Rahmen der Erasmus-Programme gibt es nämlich auch Bildungseinrichtungen, die Auslandsaufenthalte für andere organisieren. Dazu gehören zum Beispiel Arbeit und Leben Thüringen, Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein GmbH, KulturLife gGmbH, Europäischer Bildungsverbund e. V. (EBV) und einige mehr. Die jeweiligen Rahmenbedingungen sind dabei ganz unterschiedlich, es kann sich um feste Termine handeln, eine feste Auswahl an Betrieben oder eine eingeschränkte Zahl an Ländern, in denen die Praktika angeboten werden. Der Versuch lohnt sich aber in jedem Fall, denn die Anbieter offerieren oft auch finanzielle und organisatorische Unterstützung.
Mehr Informationen: www.erasmusplus.de, www.machmehrausdeinerausbildung.de