Die Pandemie bedroht die Existenz von Miet-, Show- und mobilen Köchen. Wer bisher auf Messen, mit Kochkursen und bei Veranstaltungen sein Geld verdient hat, muss sich etwas Neues einfallen lassen.
Aina Keller
Eingefrorene Budgets, abgesagte Messen und Kochkurse, die nicht stattfinden dürfen: Köchinnen und Köche, die bis Anfang März 2020 freiberuflich oder als Solo-Selbstständige im Auftrag anderer gekocht haben, stehen nun vor leeren Auftragsbüchern. Ihre Einsätze auf Fachmessen, bei Familienfeiern oder in der Produktentwicklung sind von einem Tag auf den anderen Tag gestrichen worden. Viele Auftraggeber sind in Schockstarre, das gilt sowohl für Branchenunternehmen als auch für die privaten oder gewerblichen Kunden, die üblicherweise Mietköche buchen. Wie geht es Freelancern jetzt? Welche Überlegungen und Pläne haben sie?
„Der digitale Anteil wird steigen“
Die Trainer und Showköche der ICA Frontcooking Academy (Limburg) sind am liebsten „an der Front“, sie präsentieren, kochen, begeistern. Damit ist es erstmal vorbei, Akademieleiter Bernd Trum erwartet in Zeiten von Messe-Stornos & Co. in drei Monaten einen erheblichen Umsatzverlust. Aufgrund von Managementverträgen mit anderen Trainern entstehen zwar keine maßgeblichen Verpflichtungen, aber die staatlichen Corona-Förderungen hat er zur Sicherheit beantragt. Und nun? Bereits vor zwei Jahren hat Trum auf e-Trainings gesetzt und seine Trainings damit ergänzt. Die Resonanz war anfangs verhalten, nach der Pandemie nimmt dies jetzt Fahrt auf. „Der digitale Anteil der Wissensvermittlung und Verkaufsförderung wird steigen, das galt eigentlich auch schon vor der Pandemie“, sagt Bernd Trum. „Ich vermute, dass zukünftig vielleicht 20 Prozent unserer Trainings face-to-face ablaufen werden. Für alles Weitere brauchen wir gute digitale Plattformen sowie kurzweilige und emotionale Videos. Dabei sorgen im Trainingskonzept ein Methodenwechsel, der Einsatz verschiedener Fragetechniken und hohe Interaktivität für Lernerfolg und die Bildung einer Community.“ Die ersten Live-Online-Schulungen für bis zu 100 Teilnehmern hat Bernd Trum mit seinem Team schon umgesetzt. Die Kundenresonanz und der Nutzen für die Teilnehmer waren sehr gut. Ob und wann er wieder vor einem Echt-Publikum in den Töpfen rühren wird, darüber macht sich der Koch aktuell kaum Gedanken: „Es wird wohl eher darum gehen, neue Tätigkeitsfelder zu besetzen, um weiterhin kreativ, authentisch und leidenschaftlich vor Zuschauern Lebensmittel, Technik und Botschaften zu präsentieren.“
„Als hätte jemand den Stecker gezogen“
Eine abrupte Stille nach dem „Crash“ und ziemlich viel Unsicherheit erlebt Markus Haxter, der seit 17 Jahren mit seinem Cuisine Concept in Bergisch-Gladbach „Kochen, Moderieren, Organisieren“ anbietet. „Es ist, als hätte jemand den Stecker gezogen“, sagt der selbstständige Küchenmeister und WACS Global Master Chef, der unter anderem für den VKD Seminare zu Themen wie Sushi, Regionale Gerichte oder Sous-vide-Garverfahren durchführt. „Eigentlich würde ich jetzt auf einem Wochenmarkt für die Aktionstage Ökolandbau mit Passanten kochen und nächste Woche dann in der Hotelfachschule Heidelberg als Referent auftreten.“ Besonders hart trifft es Markus Haxter mit seinem jüngsten Projekt, die Produktentwicklung von Vakuum-Programmen mit Sensortechnik für ein italienisches Unternehmen. „Ich stehe in den Startlöchern, habe viele Ideen und kann jetzt nur hoffen, dass die bestehenden Buchungen im Sommer zustande kommen und möglichst viele folgen werden.“
„Aktuell sind wir im Überlebensmodus“
Mit einem guten Mise-en-Place wollten eigentlich auch die Guerilla Chefs in diesem Frühjahr durchstarten, als plötzlich alles ganz anders kam. Das junge Netzwerk (#guerillafam) kocht gemeinsam auf Events, bringt Koch-Enthusiasten zusammen und entwickelt digitale Ideen rund ums Kreative. Mit ihrem Netzwerk setzen sie auf kostenfreie Bildung für jeden begeisterten mit dem Spirit des Kochens in sich.
„Wir hatten gerade unsere neue App gestartet und gut eine Woche danach kam der Shutdown“, erzählt Simon Kolar, der Gründer und Leader der Guerilla Chefs. „Damit haben wir auf einen Schlag unsere Strategie überdenken müssen.“ Und fügt hinzu: „Aktuell sind wir alle im Überlebensmodus. Niemandem sind die Spätfolgen klar und keiner kennt die Konsequenzen, die diese Pandemie für unsere Branche hat. Aber Fakt ist, im Überlebenskampf rückt Bildung meistens ein Stück zurück.“ Für die meisten Köche, ob angestellt oder freiberuflich, ginge es jetzt ums reine Überleben. Die Gedanken an neue Strukturen seien für viele noch weit weg. „Die Zeit des Leerlaufs bietet aber auch die Chance, um neue Modelle zu entwickeln“, findet Simon Kolar. „Die Zukunft könnte darin liegen, dass beispielsweise Event-Caterer Mitarbeiter für eine Teilzeittätigkeit fest einstellen und diese dann ihre Einnahmen mit flexiblen Freelance-Einsätzen aufstocken können.“ Um nach der Krise arbeitssuchende Talente mit Auftraggebern zusammenzubringen, denken die Guerilla Chefs gerade über eine digitale Lösung nach, die beiden Seiten von Vorteil sein könnte.
KÖCHE HELFEN KÖCHEN
Jetzt ist die Zeit, in der wir solidarisch zusammenstehen müssen. Wer braucht Hilfe? Wer hat Kapazitäten frei? Wer hat konstruktive Vorschläge? Wer plant Aktionen? Mehr dazu in der VKD-Facebook-Gruppe „Köche helfen Köchen“.