In dieser Interviewreihe sprechen wir über Dinge, die Köch:innen und die Branche aktuell besonders beschäftigen. Diesmal mit Uwe Kälberer über die Abwandlung von klassischen Rezepturen.
Interview Aina Keller
Herr Kälberer, vor dem Hintergrund veganer Abwandlungen und alternativer Zutaten, wie lassen sich traditionsreiche, klassische und regionale Rezepte in die heutige Zeit übertragen und benennen?
Als Erstes sollte die Frage beantwortet werden, ob es sich bei der Zutat oder dem Lebensmittel um eine geschützte Ursprungsbezeichnung (gU) handelt. Eine solche Angabe ist bei Verwendung unbedingt zu beachten, da sie nicht veränderbar ist und eingehalten werden muss. Darüber hinaus sind Rezepte in erster Linie Anleitungen zur Herstellung einer Speise, die frei verwendbar sind. Die einzige sehr seltene Ausnahme bilden Rezepturen, die urheberschutzrechtlich angemeldet und dokumentiert sind. Ansonsten gilt: Jedes Rezept kann den Ursprungsnamen behalten, auch wenn Zutaten abgeändert oder beispielsweise mit pflanzlichen Lebensmitteln ersetzt werden.
Ein Carpaccio von der Roten Bete ist also gar kein Problem?
Ursprünglich besteht Carpaccio (als Begriff alleine stehend) aus roh marinierten Rinderfiletscheiben. Aber mittlerweile wird die Begrifflichkeit auf andere Gerichte übertragen. Wichtig ist einfach, dass das zubereitete Lebensmittel roh mariniert ist. Wenn die Rote Bete roh mariniert ist, dann ist das schon in Ordnung. Meist aber ist aus geschmacklichen Gründen die Rote Bete gekocht und dann ist die Sache schon nicht mehr konform. Man sollte besser „Marinierte Rote Bete-Scheiben“ schreiben. Weitere Beispiele wären Carpaccio vom Seeteufelfilet oder Carpaccio von Langustinen, das ist völlig in Ordnung. Beim Weglassen oder Ersetzen von Alkohol wiederum ist zu bedenken, dass sich dadurch der Geschmack und die Konsistenz der gewünschten Speise durchaus deutlich unterscheiden kann von der Vorlage. Insbesondere dann, wenn der Alkohol eine tragende Rolle spielt wie bei Crêpes Suzette.
Besteht dann die eigentliche Kunst darin, Alternativprodukte so einzusetzen, dass sie zu dem bekannten Geschmack und der Optik führen?
Ja, das ist durchaus anspruchsvoll und braucht Zeit und Gedanken, um das Gericht so aufzubauen und umzusetzen, dass es zum Beispiel fleischlos genauso gut funktioniert. In der Vorbereitung auf die Meisterprüfung integrieren wir diesen Part schon seit einigen Jahren in den Unterricht. Es kommt darauf an, die Erwartungshaltung der Gäste zu erfüllen und das bestmögliche Ergebnis auf den Teller zu bringen.
Was ist beim Schreiben der Speisekarte zu achten?
Das wichtigste Kriterium ist immer die Transparenz. Eine klar formulierte Zusatzbeschreibung, wie beispielsweise „Schnitzel von mariniertem Seitan“, setzt die Gäste davon in Kenntnis, dass es sich nicht um das Original handelt. Oder wie zum Beispiel die Verwendung von geräuchertem Tofu im schwäbischen Traditionsgericht Gaisburger Marsch. Es heißt dann einfach „veganer Gaisburger Marsch mit geräuchertem Tofu“. Die Botschaft muss stimmen. Wann welche Bezeichnung für welches Lebensmittel die richtige ist, lässt sich im Deutschen Lebensmittelbuch nachlesen (siehe Kasten), das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft herausgegeben wird und eine gute Orientierung gibt.
Uwe Kälberer, VKD-Mitglied seit 2001, ist seit 17 Jahren Technischer Lehrer an der Hotelfachschule Heidelberg und verantwortet dort unter anderem die Küchenmeister-Fortbildung. Der heute 60-Jährige war bis zu seinem Seitenwechsel „Vollblutgastronom“ und hat außer seiner 20-jährigen Selbstständigkeit unter anderem im Hotel Colombi, im Tantris und im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe gekocht. Seine eigenen beruflichen Erfahrungen nutzt er an der Hotelfachschule, wo er quasi wie ein Küchendirektor agiert mit allen Verantwortungsbereichen, vom Einkauf über die Kalkulation bis zur Bestellung.