Abfall vermeiden und Abschnitte reduzieren ist das Eine, Lebensmittel wertschätzen und bestmöglich verarbeiten das Andere. Worauf es bei der Achtung gegenüber Lebensmitteln ankommt, ist Thema dieses Beitrags in der Serie „Respekt? Die Basis!“.
Von Aina Keller
Suppe aus Radieschenblättern, getrocknetes Karottengrün als Deko-Staub, kandierte Fenchelstängel: Noch nie war die Verwertung von vermeintlichen Lebensmittelabfällen so kreativ und umfassend wie heute. Das Bewusstsein für die bestmögliche Verarbeitung ganzer Tiere und Pflanzen in der Profiküche ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft, „noch gute“ Lebensmittel zu verarbeiten und sich mit bislang unbekannteren Teilen des Tieres und Zutaten aus der Pflanzenwelt auseinanderzusetzen. Beides sind Themen, über die gesprochen wird und gesprochen werden muss – nicht nur im Hinblick auf Müllmengen, sondern auch aus Respekt vor der Umwelt und dem Produkt.
Mittel zum Leben
Wer seinen Blick schärft und sich Zeit nimmt, ein Lebensmittel besser kennen zu lernen, beschäftigt sich ganz gezielt mit einem Mittel zum Leben – das ist eine große und zentrale Verantwortung im Berufsalltag einer Köchin und eines Kochs. Die Zu- und Weiterverarbeitung isoliert zu betrachten und der Herkunft keine Beachtung zu schenken, das wird einem Produkt nicht gerecht.
Saat, Aufzucht, Pflege, Ernte: Der Weg eines Lebensmittels ist umfassend und vielfältig. Das gilt gleichermaßen für die Menschen und Betriebe, die sich mit der Herstellung beschäftigen und ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Die Auseinandersetzung mit der Quelle und die Nähe zu den Anfängen eines Lebensmittels erweitern das Wissen und den Horizont. Wie werden die Tiere gefüttert und gepflegt, die ich verarbeite? Wer macht den Käse, den ich in meiner Küche zubereite? Um welche Haltungsformen handelt es sich und welche Philosophie verfolgt der Produzent?
Perspektiven fürs große Ganze
Mit dem Respekt vor dem Produkt wachsen auch die kulinarische Kreativität sowie die Neugier darauf, Neues auszuprobieren und das Beste aus dem Lebensmittel „herauszuholen.“ Vor dem Hintergrund der wertschätzenden Verarbeitung entwickelt sich eine Beziehung zur jeweiligen Zutat. Egal, ob tierisch oder pflanzlich – Lebensmittel verdienen es, möglichst vollständig verarbeitet zu werden.
- Nose to Tail (Von der Nase zum Schwanz): Die ganzheitliche Verwertung eines Tieres ist kein neues Ernährungskonzept, sondern vielmehr eine Rückkehr zum nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen – so wie es frühere Generationen schon kannten und umsetzten.
- Leaf to Root (Vom Blatt zur Wurzel): Das vegetarische Pendant zu Nose to Tail beschreibt die Idee, auch bei Gemüse nicht nur dessen „Filetstücke“ zu verarbeiten. Ob Schale, Strunk, Blatt, Blüte oder Wurzel: Die Vielfalt ist riesig.
- Farm to Fork (Vom Hof auf den Teller): Nachhaltige Ernährung, Artenschutz und eine geschlossene Produktionskette von Lebensmittel – der Rundumblick auf Haltung und Herkunft wird immer wichtiger. Im Jahr 2020 präsentierte die EU-Kommission ihre F2F-Strategie im Rahmen der Green Deal-Dachstrategie.
Wegwerfen ist keine Option
Wertschätzung schafft außerdem Wertschöpfung. Um betriebswirtschaftlich erfolgreich zu sein, geht es nicht zuletzt darum, Lebensmittelabfälle zu vermeiden und der Verschwendung vorzubeugen. Initiativen wie United Against Waste e. V. und Foodsharing-Modelle wie Too Good To Go rücken den respektvollen Umgang mit der Ressource Lebensmittel in den Fokus, sie erarbeiten Abfallanalysen und geben der Branche Orientierung für die Praxis.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) versucht im Zuge einer nationalen Strategie die Lebensmittelverschwendung pro Kopf bis 2030 zu halbieren. Auf Basis einer Grundsatzvereinbarung zwischen BMEL und sechs Dachverbänden finden regelmäßig branchenbezogene Dialogforen statt, an denen auch ein Vertreter des VKD teilnimmt. „Je exotischer, desto besser war lange das Motto im Gastgewerbe und auch heute spielen Regionalität und Saisonalität in einigen Profiküchen noch immer eine zu geringe Rolle. Lebensmittel werden teilweise immer noch nicht nach Bedarf eingekauft und deshalb praktisch schon ‚für die Tonne‘ bestellt“, sagt VKD-Vizepräsident Manfred Fischer. „Wir Köche und Köchinnen sind hier in der Verantwortung. Durch Aufklärung sowie eine entsprechende Gestaltung unserer Speisekarten und Menüpläne können wir Einfluss nehmen und aufzeigen, wie wir alle unseren Beitrag dazu leisten können, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden. Wenn man den Rücklauf an Essen besser kontrolliert, entsprechend anpasst und so seine Lebensmittelabfälle mehr reduziert, schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Der ökologische Fußabdruck wird verringert und gastronomische Betriebe können Studien zufolge sehr viel Geld sparen.“
Weiterführende Informationen:
Grundsatzvereinbarung zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen
Respekt ist das A und O jeder Zusammenarbeit – auch in der Profiküche. In der Serie „Respekt? Die Basis!“ zeigen wir, wie wichtig Achtung im Arbeitsalltag ist.
RESPEKT? DIE BASIS!